Mikrofone richt‘ euch!

Szenen aus einem Abhörprotokoll vorgelesen von Florian Israel (I), Bernd Volker (V), Andreas Neumann (N), Thomas Zimmermann (Z), Bausoldatenkongress, Potsdam, 04.09.2004 – Grundlage ist das Stasi-Originalmanuskript, das auf einem Mitschnitt aus dem Sommer 1984 beruht, aufgenommen in Prora/Rügen.

Einführung durch den Erzähler:

„In der folgenden halben Stunde lesen Florian, Bernd, Andreas und Thomas aus einem Abhörprotokoll, das sie in ihren Stasi-Akten gefunden haben. Die Mitschnitte entstanden im Sommer 1984 in Prora. Aus Gründen der Verständlichkeit haben wir den Text überarbeitet und in einigermaßen sinnvolle Zusammenhänge gesetzt. Das Originalmanuskript stellt eine Aneinanderreihung von Fragmenten dar. Die sind für jemanden, der nicht selber in dem Zimmer war, kaum verständlich.

Zu unserer Beruhigung konnten wir aus der vorliegenden Abschrift erkennen, dass der Staatsicherheitsdienst unfähig war, aus dem abgehörten Material zusammenhängende Informationen zu gewinnen. Die überwiegende Mehrzahl der 35 Seiten reiht sinnfrei Worte aneinander, deren Kontext sich kaum erschließt. Durch die Tücken der Technik wird der wenige Sinn komplett vernebelt: entweder behindern Flugzeuggeräusche den guten Empfang oder ein eingesetzter Tauchsieder bzw. eine Kaffeemaschine erschweren das Verständnis unserer „subversiven“ Gespräche.

Zur Erinnerung: In jenem Orwell-Jahr fand in der DDR eine Kommunalwahl statt, deren Manipulation wir versuchten, öffentlich zu machen. Mitte des Jahres besuchte uns dann der Armee-Minister Heinz Hoffmann in Prora. Aufgrund dieses Besuches durfte auch das „“Neue Deutschland““ erstmals von Bausoldaten Notiz nehmen.

Die Szenen, die wir für euch herausgesucht und nachbearbeitet haben, stehen beispielhaft für unsere Weigerung, den Armeealltag ernst zu nehmen, die DDR gut zu finden und uns im Umgang miteinander zu schonen….“

1. Szene „Mikrofone richt euch“ und die Post von M.

Aufzeichnung stark gestört und übersteuert. Bausoldat Israel kommt gerade ins Zimmer

I: „Mikrofone richt Euch.“
Z: „Wie groß sind eigentlich solche Wanzen?“
V: „Wie eine Knopfzelle.“
N: „Sind die wirklich in der Lage, so ein Gespräch aufzunehmen?“
V: „Ja.“
I: „Von mir kriegen die sowieso nichts zu hören.“

(anderthalb Sekunden Pause)

I: „Habt ihr was gefunden?“
Z: „Das lag hier auf dem Tisch.“
N: „Kann geschlussfolgert werden, dass sie suchen.“
V: „Das ist viel zu heiß, das Ding.“
I: „Weißt Du, was dann los wäre?“
Z: „Der lag hier auf dem Fensterbrett.“
N: „Wie kommt der hier rein?“

Weitere Gespräche, im Hintergrund Musik (Gesprächsinhalt schlecht zu verstehen), mehrere Personen kommen hinzu. Einer sagt, dass er in Urlaub gefahren ist. Musik wird sehr laut gestellt, dann wieder leise, dann häufig laut und leise gestellt. Gespräch über Urlaub und Regelung durch die Dienstvorschrift über Urlaubsfahrten. Sprechen über Sonderregelung für Bausoldaten – einmal im Monat Urlaub.

I: „Wer hat die Dienstvorschrift?“
Z: „Die hat der Kompaniechef, aber sie ist Verschluss-Sache.“
N: „Die Nummer müsste man raussuchen.“
V: „Ich wüsste jemand, der das raussuchen kann.“

Unterhalten sich wieder über die Briefe von Bausoldat M.

I: „Der M. hat 6 oder 7 Briefe.“
V: „Alle von S. und vom selben Datum.“
Z: „Die werden doch immer zurückgehalten bei dem.
N: „Sind alle am gleichen Tag abgestempelt.“
V: „Entweder ist die verrückt oder… Da haut doch was nicht hin. Musst mal gucken, alle sind vom 14.6 und einer ist vom 16.“
I: „Heute ist der 16.6. – dann hab ich mich verguckt.“
Z: „16.6. – das ist ja heute – was steht da?“
N: „Cottbus?“
V: „Prora… Oder er war nicht abgestempelt.“
I: „14.6., 14.6., 14.6., alles von Prora?“
V: „Forst, Forst, Forst….alles dasselbe.“
N: „Vielleicht wurde er vergessen in Forst abzustempeln und das wurde hier gemacht.“
Z: „Um die Marken nich nochmal zu verwenden, werden sie dann hier abgestempelt.
V: „Entweder haben die hier die Stempel der ganzen Republik oder die kriegen die aus dem Heimatort.“
I: „Vielleicht gehst du ja in eine Kartei, weil Du Bausoldat bist und da kriegen die das schon raus.“
Z: „Das kann ich mir nicht vorstellen.
N: „Ich auch nicht.“
V: „Das macht zu viel Arbeit“
Z: „Aber man weiß nicht, wie viel Leute die haben.“
I: „ Es gibt genug Leute, die so etwas machen.“
Z: „Oder die haben sone Liste mit allen Leuten, von denen Du Post kriegst und die picken sie dann automatisch raus.“

Eine andere Stimme ruft: “Ruhe jetzt hier.“ Diskussion über mögliches Abhören. Sie flüstern:

Z: „Es wäre eine Überraschung, wenn einer an die Steckdose rankommt.“
V: „Auf der anderen Seite – möglich wäre es schon, dass sie bei uns mit solchen Methoden arbeiten, das ist ja 50iger oder 60iger Jahre. Heute kannst du die bestimmt so verstecken, dass sie niemand findet.“
Z: „Kannst Du Dir das vorstellen, was es für eine Mordsgaudi wäre, wenn wir das finden würden.“
I: „Wo so’n Ding finden?“
N: „Ein Abhörskandal in der DDR – na!
V: „Das wär kein richtiger Abhörskandal.“
N: „Das nicht, aber gebrauchen können die es auch nicht.“
Z: „Dann haben sie nämlich neben nem Wahlbetrugsskandal auch noch nen Abhörskandal.“
I: „Die hören schon mit, was wir hier machen. Die Arbeit wird erleichtert hier in der Kaserne.“
V: „Wieso, welche Arbeit?“
I: „Na, indem sie Wanzen installieren, die großen Ohren sind ja überall.“

Weitere Gespräche werden leiser geführt. Inhalt geht über eine Person, die „Wanze“ gefunden haben soll, weil das alles altertümliche Kabel waren, die verwendet wurden. Personen versuchen sich vorzustellen, wie man reagieren würde, wenn „Wanze“ gefunden wird. Suchen hinterm Schrank (Geräusche Stuhlrücken und anderer Gegenstände). Die Geräusche ebben ab.

Ein paar Stunden später.

Z: „Wie spät ist es?“
V: „Zwei nach 12.“
N: „Ich gehe in die MHO.“
I: „Andreas, wenn Du nichts kriegst, dann kannst Du mir etwas anderes mitbringen.“
V: „Das ist eine Frechheit, guck mal, da hat einer in meinen Sachen gewühlt.“
Z: „Nicht gewühlt, zielgerichtet gesucht.“

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